Gung
Fu wurde entwickelt, damit die Mönche sich auf ihren Wanderungen verteidigen
und im Falle eines Angriffs das Kloster schützen konnten.
Die
Mönche, geschult in den buddhistischen Philosophien, erkannten aber auch, dass
die kämpferische Ausbildung eines Menschen zwei Dinge voraussetzte: zum einen
die körperliche Ausbildung, die den Körper kräftigt, ihn gesund hält und ihn
befähigt, die entwickelten Bewegungen einzusetzen.
Zum
anderen die geistige Ausbildung. Ein ungeübter Geist neigt zur Gewalt oder
Angst und ist daher nicht in der Lage, mit der Verantwortung umzugehen, die das
Wissen und Können des Gung Fu mit sich bringen.
.
So
folgte man der buddhistischen Einteilung von Himmel, Erde und Mensch. Als
Erstes wurden die Mönche in der buddhistischen Philosophie und der Meditation
(Himmel) unterwiesen. Fast zeitgleich wurden sie in Übungen zur Formung des
Körpers (Erde) unterrichtet. Erst ab einer bestimmten Stufe wurden sie in den
dritten Teil, das Kämpfen (Mensch) eingeführt.
Um
sicher zu gehen, dass das Gung Fu nicht in falsche Hände geriet, mussten die
Mönche bei ihrer Abschlussprüfung, die sie berechtigte sich Siu Lum-Meister zu
nennen und das Kloster zu verlassen, Aufgaben bewältigen, die einen geschulten
Körper und einen ausgeglichenen, verantwortungsbewussten Geist erforderten.
Der
Mensch steht für die Fähigkeit zu kämpfen. Der Mensch ist die Verbindung
zwischen Himmel und Erde. Wie oben bereits beschrieben, war der Hauptgrund für
die Entwicklung des Gung Fu der Schutz der Mönche vor Gewalt. Also lag das
Hauptaugenmerk auf effektivem Kämpfen (Selbstschutz). Mit Kämpfen ist jedoch
nicht gemeint, dass man durch die Straßen zieht und nach Streit sucht. Die
Fähigkeit des Kämpfens bedeutet, in einer Situation, in der man angegriffen
wird, entsprechend zu reagieren.
Man
weiß, was man kann, was ein starkes Selbstvertrauen bewirkt. Dadurch entsteht
Sicherheit. Und Sicherheit bedeutet Gelassenheit. Nur Angst und Hass führen zur
Eskalation.
Das
Ziel des Trainings besteht darin, nur in Notfällen Gegenmaßnahmen zu ergreifen
und nicht sofort bei geringer Provokation zum Generalangriff überzugehen. Wenn
sich jedoch ein Konflikt nicht vermeiden lassen sollte, attackiert man nicht unbeherrscht
und nicht in der Absicht den Aggressor (schwer) zu verletzen.
In
der heutigen Zeit ist es vorteilhaft, Selbstschutztechniken zu beherrschen, mit
denen man einen Gegner ohne Verletzung kampfunfähig macht. Wenn man außer
Fauststößen und Tritten keine anderen Mittel kennt, um mit einem Angreifer
fertig zu werden, kann eine sowieso schon gefährliche Situation unnötig
eskalieren. Da man im Fu Lung Pai der buddhistischen Philosophie große
Bedeutung beimisst, handelt man bei der Anwendung der Techniken auch nach
diesen. Die Kultivierung des Geistes durch den philosophischen Inhalt des Fu
Lung Pai soll vor allem dazu beitragen, den Frieden zwischen den Menschen zu
bewahren.
Seit
jeher gibt es Situationen, in denen Selbstschutz notwendig und rechtlich wie
moralisch gerechtfertigt ist. Wenn es dabei jedoch zur Anwendung übertriebener
und brutaler Techniken kommt, entstehen mit hoher Wahrscheinlichkeit bleibende
Verletzungen. Dies kann auch für den Verteidiger böse enden, nämlich mit einer
Strafe, aufgrund überzogener Notwehr. Einige Organisationen lehren leider genau
solche Techniken und verbreiten diese dann in diversen Fachzeitschriften als
Technikserien.
Lernt
man Gung Fu zum Selbstschutz, darf man nie die Bewahrung des Lebens aus den
Augen verlieren. Wenn man auf einen Faustangriff mit einem Fauststoß zum Hals
(Kehlkopf) kontert, hat dies nichts mehr mit Selbstschutz zu tun.
Betreibt
man Kampfsport (z. B. Karate, Judo oder Tae Kwon Do), entsteht bei Anwendung
zum Selbstschutz folgendes Problem: Durch das sportliche Training erwirbt man
nicht die Fähigkeiten, die nötig sind, sich z. B. gegen einen skrupellosen
Straßenschläger zur Wehr zu setzen. Wird im Training nur gelernt
stilspezifische Bewegungen abzuwehren, wird auf unbekannte Angriffe meist
falsch reagiert. Es entstehen sogenannte „Inzest-Stile“. Die einstudierten
Abwehrbewegungen funktionieren nur, wenn der Partner mit stileigenen, oft
unrealistischen Techniken angreift.
Außerdem
gibt es im Sport Regeln, die beachtet werden müssen. Auf der Straße, in einer
Ernstfallsituation wird sich der Angreifer weder an Regeln halten noch wird er
fair kämpfen. Man wird also, wenn man sich auf seine Sporttechniken verlässt,
eine böse Überraschung erleben. Eine gängige Meinung unter Kampfsportlehrern
scheint zu sein, dass der, der sich sicher verteidigen will, selbst ein
Schläger sein muss. Dies ist natürlich völliger Unsinn. Der ursprüngliche
Grund, der zur Entwicklung der Kampfkünste führte, war der, dass auch ein
körperlich unterlegener Verteidiger reelle Chancen gegen einen stärkeren und
größeren Angreifer haben sollte.
Es
sei hier nur noch gesagt, dass weder Funakoshi, der Begründer des Shotokan
Karate noch Kano, der Begründer des Judo, oder Uyeshiba, Begründer des Aikido,
bei der Entwicklung ihrer jeweiligen Interpretation der Kampfkunst die
effektive Selbstverteidigung zum Ziel hatten. Das kann man in ihren Büchern
nachlesen.
Ist
es da nicht seltsam, wenn Lehrer dieser Stile mit effektiver Selbstverteidigung
werben? Betrachtet man sich einmal eine ihrer Trainingseinheiten, muss man
feststellen, dass die Aufwärmgymnastik schon einen erheblichen Teil der
Trainingszeit verschlingt.
Im
Fu Lung Pai gibt es keine Aufwärmgymnastik. Zu Beginn einer Trainingseinheit
übt man die Formen. So wird der Körper auf natürliche und lehrreiche Weise auf
die folgenden Übungen vorbereitet. Der Vorteil dieser Unterrichtsmethode ist
der, dass der Schüler schon beim „Aufwärmen“ wichtigere Dinge als Gymnastik
lernen kann.
Ein
plausibles Argument, das gegen die Aufwärmgymnastik spricht, ist, dass der
Schüler im Ernstfall auch keine Zeit hat sich aufzuwärmen. Er wird plötzlich
und ohne Ansage angegriffen, d. h. er muss sofort in der Lage sein, sich verletzungsfrei
zu bewegen. Lassen dies die Techniken nicht zu, sind sie für die
Selbstverteidigung untauglich.
Das
soll nicht heißen, dass ein Kampfsportler, der über einige Jahre Trainingserfahrung
verfügt, keine Chance gegen einen untrainierten Angreifer hat. Gegen einen
skrupellosen Schläger wird er aber mit Sicherheit den kürzeren ziehen. Dies hat
sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt.
Wenn
es jedoch um effektiven Selbstschutz geht, darf der Schüler nicht erst
jahrelang trainieren müssen. Er muss Verteidigungsstrategien und Bewegungen zur
Verfügung haben, die mit jeder Art von Angreifer fertig werden. Oberstes Ziel
in der Fu Lung Pai-Selbstverteidigung ist Effizienz. Im Fu Lung Pai arbeitet
man nicht mit komplizierten Kombinationen. Es werden Möglichkeiten gegen
Angriffe (bewaffnet und unbewaffnet) gezeigt, die auf der Straße am
wahrscheinlichsten vorkommen.
Alle
Techniken basieren auf natürlichen Bewegungen.
Durch
die Übungen des Fu Lung Pai werden die Reflexe geschult, damit genau die
Bewegungen abgerufen werden, die nötig sind, die Bedrohung zu beenden.
Doch
lässt sich Selbstschutz nicht an einem Wochenende erlernen. Viele Teilnehmer
solcher Kurse halten sich danach für unbesiegbar. Bei all diesen Kursen wird fahrlässig
ein falsches Selbstvertrauen vermittelt.
Das wohl unsinnigste sind reine Frauengruppen, noch
dazu mit einem weiblichen Ausbilder, ohne realistische Kampferfahrung. Diese Behauptung
ist nicht chauvinistisch gemeint. Wenn man sich jedoch mit realistischem,
effektivem Selbstschutz befasst, merkt man schnell, wie viele Argumente gegen
solche Gruppen sprechen.
● Eine Frau wird von einem Mann verprügelt.
● Eine Frau wird von einem Mann sexuell belästigt.
● Eine Frau wird von einem Mann vergewaltigt.
● Eine Frau, die an realistischem, effektivem Selbstschutz
interessiert ist, muss in
einer gemischten Gruppe trainieren. Wer
schwimmen lernen will, erzielt mit
Trockenübungen keine Fortschritte.
Es
gibt kein Patentrezept für den Ernstfall! Jeder, der von seinem System
behauptet, es wäre das Nonplusultra der Schusswaffenlosen Selbstverteidigung,
ist ein unseriöser Geschäftsmann, der mehr am Geld seiner Schüler interessiert
ist als an deren Sicherheit.
Gerät
man in eine Konfliktsituation, sollte man die nachstehenden Punkte beachten:
Angreifer
Mit
wie vielen Angreifern hat man es zu tun? Ist einer oder sind mehrere davon
bewaffnet?
Distanz
Kann
der Gegner sofort angreifen oder muss er erst eine Distanz überbrücken? Hat er
eine Waffe, die seine Reichweite erhöht?
Standpunkt
Wie
ist der Untergrund beschaffen? Steht man auf rutschigem oder unebenem Boden?
Umgebung
Gibt
es einen Fluchtweg oder befinden sich Personen in der Nähe, die helfen könnten?
Man sollte sich jedoch nie allein auf die Hilfe von Passanten verlassen.
Befinden
sich Objekte in der näheren Umgebung, die man dazu einsetzen kann, den Gegner
in seinen Möglichkeiten einzuschränken (z. B. Parkbank, Laterne usw.)?
Körpersprache
Um
eine gefährliche Situation erst gar nicht entstehen zu lassen oder um einem
Aggressor vorzeitig den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist die richtige
Körperhaltung wichtig.
Verängstigte,
ausweichende Blicke, eingefallene Schultern und gesenkter Kopf sind die
typische „Opferhaltung“. Diese Körperhaltung ist geradezu eine Einladung für
mögliche Täter, während ein aufrechter Gang und ein entschlossener
Gesichtsausdruck auf einen möglichen Angreifer abschreckend wirken.
Merkt
man, dass eine körperliche Auseinandersetzung unausweichlich ist, sollte man
auch bei der Wahl seiner „Kampfstellung“ vorsichtig sein. Keinesfalls sollte
man sich mit geballten Fäusten vor dem Störenfried aufbauen, da diese Haltung
eine aggressivere Vorgehensweise des Gegenübers provozieren könnte. Des Weiteren
spricht auch dagegen, dass von umstehenden Personen (mögliche Zeugen) dies als
Zeichen der eigenen Aggressivität und damit automatisch auch Mitschuld gewertet
werden könnte.
Beide
Hände offen vor dem Körper, mit denen beschwichtigende Bewegungen ausgeführt
werden sollen, bieten relativ guten Schutz. Gleichzeitig sollte man immer laut
sagen, dass man keinen Streit will.
Abschließend
sei noch gesagt, dass durch das regelmäßige Training, der Schüler seinen Geist
zur Ruhe bringt und so ohne Stress und Verkrampfung im Ernstfall richtig und
gelassen reagieren kann. Er wird auch seine Ängste besiegen lernen.
Angst
ist ein natürlicher Instinkt, genau wie Hunger oder Durst usw., der in erster
Linie eine lebenserhaltende Funktion hat. Gefährlich wird es nur, wenn die
Angst außer Kontrolle gerät und in Panik übergeht. Wie kann das verhindert
werden?
Zuerst
gilt es, die Gefahr zu erkennen, erst dann geht man daran, sie zu entkräften.
Wenn man weiß, dass die Angst unbegründet ist, sollte man sich nicht von ihr
kontrollieren lassen. Man sollte nicht an sie denken, ruhig und tief atmen
(Bauchatmung) und versuchen sich zu entspannen. Dabei hilft, dass man übt, in
sich hineinzuhorchen, um Körper und Geist in Einklang zu bringen.
In
der Medizin bezeichnet man mit Physiologie die bewegten bzw. „normalen“
Vorgänge im Körper. Dieser Artikel befasst sich mit der Physiologie des Kampfes
aus Sicht des Fu Lung Pai. Der Begriff „Physiologie“ bezeichnet hier also die
Vorgänge eines Kampfes, im Hinblick auf die menschliche Anatomie, Techniken,
Psychologie, Rechtslage und Strategie.
Was
ist ein Kampf? Ein wahlloser Akt der Gewalt! Diese Definition des Begriffes
Kampf enthält Treten, Schlagen, Greifen, Halten, Einsatz von Schlag- und
Stichwaffen, Bodenkampf. Weiterhin enthalten sind: Schusswaffen, Zwei-, Drei-
oder Vier- gegen Eins-Situationen, unfaire Tricks usw..
Ein Kampf enthält nicht: Romantik, Ehre, Fairness!
Das
Fu Lung Pai ist, als traditionelles Shaolin-System, eine effektive und
realistische Selbstverteidigung. Dennoch gibt es noch immer Zeitgenossen, die
der Meinung sind, mit traditionellen Stilen kann man nicht kämpfen. Ich erhielt
beispielsweise einmal einen Anruf von einem Interessenten, der sich nach dem Fu
Lung Pai-Training erkundigen wollte. Er stellte ein paar Fragen, hörte sich die
Antworten an und entgegnete nach einiger Zeit: „Na ja, klingt ja alles sehr
interessant, aber mit traditionellen Stilen kann man ja nicht kämpfen.“ Auf die
Frage, welchen traditionellen Stil er denn schon erlernt hätte, erfuhr ich,
dass er noch überhaupt keinen trainiert hatte. Er habe ein paar Monate Jeet
Kune Do (dazu später mehr) trainiert, suche jetzt aber etwas neues, da die
Schule geschlossen hatte.
Grundsätzlich
läuft, unabhängig von der Art des Reizes, immer das gleiche Reaktionsmuster ab.
Begründet liegt dieses Muster in der Frühzeit,,in der es notwendig war, auf
drohende Gefahren blitzschnell zu reagieren, sei es in Form von Angriff oder
Flucht (Fight or Flight). Gesteuert werden diese Reaktionen vom limbischen
System, unseres so genannten Reptiliengehirns.
Folgende
Reaktionen laufen bei Gefahr ab:
·
die
Herzfrequenz wird erhöht
·
der
Blutdruck steigt
·
die
Atmung wird beschleunigt
·
die
Muskeln werden angespannt
·
die
Pupillen weiten sich
·
die
Tätigkeit der Geschlechts- und Verdauungsorgane wird herabgesetzt
Adrenalin
und Noradrenalin sind Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter), die auf den
Sympathikus (Teil des vegetativen Nervensystems) erregend wirken. Sie beschleunigen
kurzfristig die Energiebereitstellung. Das zeigt sich in einer beschleunigten
Herztätigkeit, Erhöhung des Blutdrucks, Freisetzung von Glukose und verstärkten
Durchblutung der Muskulatur. Sie versetzen den Körper sozusagen in Alarmzustand. Normalerweise werden
Adrenalin und Noradrenalin fortlaufend in kleinen Mengen in das Blut abgegeben.
In Stress- und Angstsituationen allerdings kommt es zu einer hochdosierten
Ausschüttung.
Die
wichtigste Aufgabe der in einer Alarmsituation freigesetzten Hormone Adrenalin
und Noradrenalin besteht darin, gespeicherte chemische Energie wie Fett oder
Glykogen zu mobilisieren und die Glukoseaufnahme in die Körperzellen zu
unterstützen, um der gesteigerten Muskeltätigkeit ausreichend Energie zur
Verfügung zu stellen. Denkvorgänge werden unterdrückt bzw. blockiert. Das ist
der Grund, warum es in Prüfungssituationen bei manchen zu einem Wissensverlust kommen
kann, bei dem auch sicheres Wissen plötzlich nicht abrufbar ist – der
sogenannte Blackout.
Aus
diesem Grund versagt auch jede Kampfart, die uns zum Nachdenken zwingt. Die
Bewegungen müssen unbewusst ablaufen, ausgelöst durch spezifische Impulse.
In
der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) werden Endorphine gebildet und in den Körper
ausgeschüttet. Endorphine wirken stark schmerzstillend und sind an
verschiedenen vegetativen Prozessen beteiligt, unter anderem der Regulierung
der Körpertemperatur, der Hemmung der Peristaltik (Darmbewegung) und der
Steuerung von Antrieb und Verhalten. Sie sorgen für ein starkes Glücksgefühl,
weshalb sie auch als „natürliches Opium“ bezeichnet werden.
Während
uns Adrenalin und Noradrenalin stärker und schneller machen, sorgen die
Endorphine dafür, dass wir im Kampf schmerzunempfindlicher werden und trotz
eventueller Treffer weiterkämpfen können.
Bei
einem Kampf unterscheidet man verschiedene Distanzen. Dabei ist jedoch nochmals
zu unterscheiden, zwischen den Distanzen während eines sportlichen Wettkampfs
und eines realen Kampfs auf der Straße.
Bei
einem sportlichen Vergleich geht man von der weitesten Distanz in die naheste.
Bei
einer realen Auseinandersetzung verhält es sich völlig anders. Der Kampf wird
mit höchster Wahrscheinlichkeit in der Nahen Distanz beginnen. Die weite oder
Trittdistanz ist auf der Straße die unwahrscheinlichste, denn bedenkt bitte,
ein Schläger, der seinen Minderwertigkeitskomplex mit fremdem Blut ausgleichen muss,
wird sich nicht in zwei Meter Entfernung aufstellen und euch zum Kampf
herausfordern. Vielmehr wird er sich vor euch aufbauen und versuchen euch
einzuschüchtern.
Die
typischen Sprüche wie z. B. „Was schaust Du so blöd?“, gepaart mit einem
tölpelhaften Schubsen, sind die häufigsten sogenannten Vorspiele eines Kampfes.
Die
besten Techniken sind wirkungslos, wenn der Betreffende sie nicht mit der
nötigen Entschlossenheit oder Konsequenz einsetzt. Das Wort „Konsequenz“ hat dabei
einen etwas faden Beigeschmack: Organisationen, die mit „konsequenter“
Selbstverteidigung (SV) werben, lassen die Tatsache außer Acht, dass, würde man
diese SV tatsächlich anwenden mit rechtlichen Konsequenzen wegen überzogener
Notwehr rechnen müsste. Mehrfach hintereinander geschlagene Fauststöße zum
Hals, fortgesetzte Ellenbogenschläge und Tritte gegen einen am Boden liegenden
Gegner zählen nicht zu den adäquaten Mitteln einer realistischen
Selbstverteidigung, schon gar nicht nach geltendem Recht.
Und
ein gesetzestreuer Bürger, der vielleicht dazu gezwungen wird, sich in einer
Ernstfallsituation zu behaupten, braucht nicht noch die zusätzliche Sorge um
seine Zukunft, die er sich mit einer Vorstrafe verbauen würde.
Wenn
wir im also Fu Lung Pai konsequentes Handeln propagieren, so meinen wir damit
nicht, den Angreifer durch den Einsatz unserer Techniken möglichst schwer zu
verletzen. Unschädlich machen, bedeutet nicht töten, kontrollieren bedeutet
nicht bis zur Bewusstlosigkeit auf einen Angreifer einzuschlagen.
Wodurch
kann ein Kampf entstehen?
Wodurch
entsteht eine Situation, in der es nötig wird, sich selbst zu verteidigen? „Selbstverteidigung
wird nötig durch einen gegenwärtigen Angriff“ (§ 32 StGB). Angriffe erfolgen
zum einen durch Personen, die eigene menschliche Schwächen (meist
Minderwertigkeitskomplexe) durch den Einsatz von Gewalt überspielen. Zum
anderen durch Personen, die durch übermäßigen Alkoholgenuss zeigen wollen (oft der
eigenen Freundin oder den Kumpels), was sie selbst für ein toller Kerl sind. Das
geht ihrer Meinung nach am Besten, indem sie andere verletzen.
Häufig
liegt die Wurzel der Gewaltbereitschaft im Elternhaus. Einige mögen durch die Erfahrungen
während ihrer Kindheit einer hohen Gewaltbereitschaft erliegen, z. B. durch
Missbrauch oder Misshandlung, was im Resultat bis zu einem gewissen Maß dem oben
erstgenannten Punkt entspricht. Ein anderer Aspekt ist die bewusst
gewaltorientierte Erziehung: Falls Eltern ihr Kind lehren, dass Gewalt das
einzige Mittel der Konfliktlösung darstellt, wird sich das ins Erwachsenenalter
übertragen.
„Wenn
mein einziges Mittel der Problemlösung ein Hammer ist, wird jedes Problem wie
ein Nagel aussehen.“
Nun
kann man weder die Schwächen oder Erfahrungen seiner Mitmenschen und die damit
einhergehende Gewaltbereitschaft jederzeit erkennen, noch immer die Möglichkeit
nutzen, eine Situation durch Abwesenheit gar nicht erst entstehen zu lassen.
Wie also umgeht man solche Situationen?
Die
beste Selbstverteidigung ist daher, die Situation durch Weggehen zu
entschärfen. In meiner Schule weise ich immer wieder darauf hin, dass ein Sich
entfernen oder das Weglaufen die beste Lösung ist und nichts mit Feigheit zu
tun hat, sondern eher mit Cleverness. Die ganze Überlegung hat nur einen Haken:
Wäre
dies immer möglich, sollte man sich eher in schnellen Sprints üben als in
Kampftechniken. Doch genau weil es nicht immer möglich ist, sind Techniken zur
Selbstverteidigung sinn- und wertvoll.
Man
kann im Vorfeld das Risiko der Gewaltanwendung durch bestimmte eigene
Verhaltensmodifikationen minimieren: Dazu zählen sowohl die eigene Ausstrahlung
als auch die Körperhaltung.
Sogenannte
„Opferforscher“ (Viktimologen) haben herausgefunden, dass man durch seine
Körpersprache zu erkennen gibt, ob man ein Opfer ist, oder eine Person von der
man als Angreifer besser die Finger lässt. Ich gehe sogar soweit zu behaupten,
dass man mit einem gesunden Selbstvertrauen für eventuelle Täter regelrecht
„unsichtbar“ wird.
Gewalt
kann jedoch auch durch Missverständnisse entstehen. Gerade beim Kontakt mit
anderen Kulturkreisen können aus den Unterschieden der verschiedenen Normen (z.
B. des unterschiedlich ausgelegten Ehrbegriffs) schnell Missverständnisse
entstehen. Ein falsches Wort, dazu die vorhandene Bereitschaft des Gegenübers,
den dadurch entstandenen Konflikt mit Gewalt zu lösen, und schon hat man eine
Situation, in der man physische Gewalt einsetzen muss. Dass dies im Falle des
Verteidigers immer im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben geschehen sollte,
versteht sich von selbst.
Das
Zauberwort, um solch einer Situation vorzubeugen, lautet hierbei zweifelsohne
„Toleranz“. Dass diese jedoch von beiden Seiten kommen muss, ist
selbstverständlich. Gerade dabei scheinen leider die meisten, völlig unabhängig
von Generation oder Nationalität, die größten Probleme zu haben.
Rechtslage
Juristisch
gesehen, ist die Notwehr zunächst eine Körperverletzung und so lange strafbar,
bis ein Rechtfertigungsgrund nachgewiesen ist. Dieser Gedankengang ist wichtig,
um zu verstehen, dass nicht die eigene (subjektive) Meinung über die
Notwendigkeit und das Ausmaß einer Verteidigung entscheidend ist, sondern das
Rechtsempfinden eines (objektiv) Außenstehenden.
„Wer
eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
Notwehr ist die
Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen Angriff von sich
oder einem anderen abzuwenden.( § 32 StGB)
Wer
sich also gegen einen Angriff (Rechtfertigungsgrund) zur Wehr setzt, handelt
nicht rechtswidrig. Ein Angriff ist die unmittelbare Bedrohung rechtlich
geschützter Güter durch menschliches Verhalten. Notwehrfähig ist somit jedes Rechtsgut,
z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum, Besitz,
Intimsphäre, Hausrecht.
Voraussetzung
hierfür sind folgende Maßregeln:
Der
Angriff muss
·
gegenwärtig,
d. h. er muss gerade stattfinden oder unmittelbar bevorstehen und
·
rechtswidrig
sein, d. h. alle Taten, die vom Gesetz mit Strafe verfolgt werden, wie z. B.
Diebstahl, Raub, Körperverletzung, Bedrohung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
oder versuchter Totschlag.
Die
Notwehrhandlung besteht in der erforderlichen Verteidigung, die im konkreten
Fall objektiv nötig ist, um den Angriff endgültig zu beenden und die dabei den
geringsten Schaden anrichtet. Auch ein Gegenangriff, die sogenannte Trutzwehr,
kann neben der Schutzwehr die erforderliche Verteidigungshandlung sein. Jedoch
muss grundsätzlich die Verteidigung so gewählt werden, dass die
Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Angriff nicht überschritten wird. Ferner darf
die Abwehr nicht über die erforderliche Verteidigung fortgesetzt werden. Man
spricht von der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“.
Grundsätzlich
ist die Überschreitung der Notwehr strafbar, da das Opfer (dies wird nun zum
Täter) über die objektiv erforderliche Verteidigung und damit über die im § 32
(StGB) festgelegten Grenzen hinausgeht. Somit ist der „Verteidigende“ zum
Schadenersatz gegenüber dem Geschädigten verpflichtet.
Handelt
das Opfer jedoch aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken, dann ist eine
Übertretung nicht strafbar.
Sprechen
die äußeren Umstände für eine Körperverletzung oder eine Vergewaltigung, geht
die Justiz im Großteil der Fälle davon aus, dass sich das Opfer in Verwirrung,
Furcht oder Schrecken befunden hat.
Merke! Wer
absichtlich einen Angriff provoziert und in der nun vorhandenen Notwehrlage den
Angreifer verletzt, handelt nicht in Notwehr.
Richtet
sich der Angriff gegen eine dritte Person, so spricht man bei deren
Verteidigung von Nothilfe.
Psychologie
Effektive
Selbstverteidigung muss immer auch die psychologische Ebene ansprechen. Wie
legt man z. B. die „Opferrolle“ ab? Was bedeutet die innere Einstellung und
damit verbunden, die Wirkung die man auf mögliche Kontrahenten hat?